Kurz und knapp, was ist Calisthenics?
Der Begriff „Calisthenics“ kommt eigentlich aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern „kalos = Schönheit“ und „sthenos = Kraft“ zusammen. Calisthenics ist eine Form des Bodyweight-Trainings, das eine Reihe von einfachen Bewegungen beinhaltet, für die nur das eigene Körpergewicht genutzt wird. Die Übungen sind dafür ausgelegt Kraft, Beweglichkeit und Körperkontrolle zu verbessern.
Woher kommt Calisthenics?
Calisthenics an sich ist uralt. Schon in der Vorzeit bewegte sich die menschliche Spezies gehend, machte Ausfallschritte, drückte und zog, um zu überleben und alltägliche Aufgaben zu erledigen. In der Antike war Calisthenics das wichtigste Mittel, um Soldaten körperlich in Form zu bringen: überall ausführbar, einfach erlernbar und am besten auf die Fähigkeiten und Bewegungen übertragbar, die im Kampf gebraucht wurden. Denken wir doch einfach mal an die Legenden von Herkules oder Atlas, die hauptsächlich für eine Eigenschaft bekannt waren – sie konnten mittels ihrer unbändigen Muskelkraft gewaltige körperliche Leistungen vollbringen. Anfang der 2000er Jahre wurde die Idee dann in den Ghettos der amerikanischen Großstädte revolutioniert und wiederbelebt. Das damalige „Street Workout“ wurde zum Beispiel mit Hilfe von Baugerüsten oder Treppengeländern durchgeführt.
Wie lässt sich der Hype um die Trendsportart Calisthenics erklären?
Die sozialen Medien haben hier definitiv ihren Teil beigetragen. Mit Sicherheit kennt jeder einige faszinierende Videos auf YouTube oder Instagram, in denen ganz gewöhnliche Leute eine schier übermenschliche Kraft und Körperbeherrschung unter Beweis stellen und dazu lediglich eine einfache Klimmzugstange benutzen. Mittlerweile gibt es in vielen Städten Calisthenics Parks und sogar eigene Wettkämpfe und Turniere, in denen Männer und Frauen auf öffentlichen Trainingsplätzen gegeneinander antreten.
Was sind die Besonderheiten am Calisthenics Training?
Besonderheiten – wo soll man da anfangen. Wie für jedes Bodyweight-Training gilt: Man braucht eigentlich nicht viel außer sich selbst. Zudem sind die Bewegungen bzw. Übungen an sich relativ „einfach“, das heißt niemand muss eine komplexe Choreographie oder Ähnliches erlernen. Und selbst an komplexere Übungen wie Muscle-ups wird man sehr logisch und in Einzelschritten herangeführt. Dann gibt es ein paar Körperteile, die im Calisthenics besonders viel Aufmerksamkeit bekommen:
- Die Finger, Hände und Unterarme sind beispielsweise bei fast jeder Bewegung beteiligt. Man spricht häufig von „Griffkraft“, denn letztendlich bringt einem der stärkste Rücken wenig, wenn diese Kraft nicht auf die Hände übertragen werden kann.
- So auch die Körpermitte, die bei vielen Bewegungen einfach bombenfest bleiben muss, weil sie beispielsweise den Körper gerade halten muss und das Gewicht der Beine trägt.
- Die Schultern sind vermutlich die wichtigsten Körperbereiche für zahlreiche Bewegungen bzw. die Fähigkeit, die Schulter zu stabilisieren und zu kontrollieren.
Welche Trainingsziele kann man mit Calisthenics erreichen?
Mögliche Ziele des Calisthenics sind mehr Kraft, mehr Muskelmasse, mehr Mobilität und Beweglichkeit, bessere Koordination sowie eine bessere Körperkontrolle. Um diese Ziele „messbar“ zu machen, könnte das beispielsweise für einen Anfänger folgendes bedeuten:
- 20 perfekte Liegestütze
- 10 perfekte Klimmzüge
- 10 perfekte Trizeps-Dips
- 10 Mal perfektes Knieheben im Hang
- 25 perfekte Kniebeugen
Damit hat man definitiv ein solides Kraftniveau und somit auch die Grundlage für mehr.
Für wen eignet sich Calisthenics? Benötigt man schon eine „Grundfitness“ oder können auch „Einsteiger“ teilnehmen?
Calisthenics ist wirklich für jeden geeignet, immerhin bewegen wir uns seit unserer Geburt mit dem Körpergewicht durch den Raum. Das Schwierigkeitsniveau jeder Calisthenics-Übung kann gesteigert oder reduziert werden, indem man die Hebelwirkung verändert, die während einer Bewegung zum Tragen kommt. So gibt es für jede Übung verschiedene Variationen. Nehmen wir beispielsweise den Liegestütz – die wohl bekannteste Körpergewichtsübung überhaupt. Hier könnte man für den Start eine erhöhte Plattform verwenden, auf der man die Hände abstützt. Dadurch verändert sich der Körperwinkel und das Körpergewicht wird von den Händen stärker auf die Füße verlagert. Die Erhöhung fällt irgendwann weg und schließlich fängt man an, mit Handpositionen zu spielen (breiter oder enger Griff, auf den Fingerspitzen, etc.). Dann wird der Liegestütz vielleicht einarmig und irgendwann mit einem Handstand kombiniert.
Was sind typische Calisthenics-Übungen?
Häufig spricht man von den fundamentalen Fünf: Liegestütz, Klimmzug, Trizeps-Dip, Knieheben im Hang und Kniebeuge. Fortgeschrittene beschäftigen sich dann auch gerne mal mit Muscle-ups oder Lever-Varianten wie der Human Flag oder verschiedenen Handstandvariationen. Letztlich geht es um Druck- und Zugmuster für Oberkörper sowie Unterkörper und Konditionsübungen. Und nachdem zahlreiche Übungen Muskeln in der Körpermitte beanspruchen, ist ein Core-Workout Bestandteil eines jeden Trainings.
Inwiefern kann man Calisthenics in seinen Trainingsplan integrieren? Ist es eher ein ergänzendes Training oder wird es sogar als eigene „Disziplin“ gesehen? Falls ja, wie oft sollte man trainieren?
Wie sagt man so schön – alles kann, nichts muss. Calisthenics eignet sich wunderbar als eigene Disziplin und kann mit einem kurzen Warm-Up plus Mobilitätsübungen perfekt als eigene Session gestaltet werden. Man arbeitet hier mit Sätzen, Wiederholungen und Haltedauer, wobei die Anzahl je nach individuellem Ziel stark variieren kann. Für einen Anfänger würden wir 3-4 Mal pro Woche empfehlen (mit ausreichend Platz für Ruhetage), dabei 3 Sätze mit möglichst vielen Wiederholungen. Natürlich können die Übungen an sich auch wunderbar in das „andere“ Training integriert werden. Je nach Trainingsschwerpunkt sucht man sich einfach passende Übungen heraus. Calisthenics eignet sich aber auch prima als Grundlagenkrafttraining für andere Sportarten wie beispielsweise Fußball, Triathlon, Schwimmen oder Ähnliches. Letztlich geht es ja hier um mehr Kraft, mehr Kontrolle, mehr Koordination. Und das sind bekanntlich Faktoren, die bei jeder Sportart klare Vorteile bringen.
Gibt es weitere Tipps und interessante Fakten, die ihr unseren Mitgliedern mit auf den Weg geben möchtet?
Es sind vermutlich immer die gleichen Tipps, die man hört. Wichtig sind Disziplin und ein bisschen Kampfgeist. Denn manchmal tut der letzte Satz oder die letzte Wiederholung „einfach nur weh“. Durchbeißen ist hier die Devise. Bei den Profis oder Fortgeschrittenen sieht alles immer so einfach aus. Aber hier steckt so viel harte Arbeit dahinter mit viel Schweiß, Muskelkater und Disziplin. Wir haben neulich in einem Workshop gefragt, wer gerne einen Klimmzug können würde. Alle Hände gingen hoch. Auf die Frage, wer bereit wäre, täglich oder zumindest mehrmals pro Woche zu trainieren, gingen dann alle Hände wieder runter. Und aus eigener Erfahrung wissen wir einfach, dass unser Körper viele Wiederholungen benötigt, bis er eine neue Bewegung letztlich beherrscht.
Warum seid ihr so begeistert von Calisthenics und was macht euch daran am meisten Spaß?
Wir können unsere eigenen Fortschritte und Veränderungen ganz klar sehen. Das ist das Schöne am Calisthenics. Fleiß und harte Arbeit zahlen sich hier einfach aus. Und Momente des ersten Klimmzugs oder des ersten freien Handstands sind einfach unbezahlbar.